Viele Menschen haben Angst davor, Opfer von ärztlichen Behandlungsfehlern zu werden. Doch die tatsächliche Gefahr ist aus Sicht der Ärztekammer gering.
Die Norddeutsche Schlichtungsstelle für ärztliche Kunstfehler hat im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 256 Anträge auf Entschädigung aus Mecklenburg-Vorpommern erhalten (2015: 293). 184 Anträge seien entschieden worden, wobei in gut 28 Prozent der Fälle "begründete Ansprüche" der Patienten festgestellt worden seien. Mit mehr als zwei Dritteln wurden demnach aber die meisten der Anträge abgelehnt. In gut vier Prozent der Fälle wurde zwar ein Behandlungsfehler bejaht, aber als nicht ursächlich für eine Beeinträchtigung betrachtet.
Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Behandlungsfehlers zu werden, sei sehr gering, sagte der Präsident der Landesärztekammer Andreas Crusius auf einer Versammlung der Landesärztekammer in Rostock: "Wenn wir hier von Fehlern und unerwünschten Ereignissen in der Medizin berichten, dann tun wir dies, um die Schere zwischen subjektivem Sicherheitsempfinden und objektivem Schadensrisiko zu schließen". Auf der Tagesordnung für das Treffen der Vertretung von mehr als 10.000 Ärzten im Nordosten steht neben internen Punkten auch das heikle Thema Kunstfehler.
Die weit überwiegende Zahl der Fälle im Land stamme aus den Kliniken (80 Prozent), die restlichen aus dem niedergelassenen Bereich. Bei beiden ist die Orthopädie/Unfallchirurgie das am häufigsten beteiligte Fachgebiet, im niedergelassenen Bereich jedoch gleichauf mit den Anträgen gegen hausärztlich tätige Ärzte.
Die Anträge aus dem Nordosten bilden nur einen kleinen Teil des Gesamtaufkommens. Insgesamt wurden 2016 an die für insgesamt zehn Bundesländer zuständige Schlichtungsstelle 4.070 Anträge gestellt (Vorjahr: 4.290). Zum Vergleich: 2015 wurden laut Crusius bundesweit 696 Millionen ambulante Behandlungsfälle gezählt, in den Kliniken waren es 19,8 Millionen.
Kommentare
Ganz entscheidend finde ich die Bemerkung von PvD zum reflektierten und mündigen Patienten. Der Patient ist in seiner Rolle per se in einer dem Arzt gegenüber unterlegenen Position. Er ist krank. Und erhofft sich Heilung. Dieser absolut nicht triviale Umstand sollte den Arzt veranlassen, ihm mit adäquatem Zeitaufwand und Aufmerksamkeit zu begegnen - ein Ideal, das im Klinikalltag, der wirtschafltichen Gesetzen gehorchen soll, oft nur schwer zu realisieren ist.
Der hohe Anteil von Behandlungsfehlern in Kliniken verwundert wenig. Aufgrund der örtlichen Strukturen und Gegebenheiten haben Ärzte dort weniger Zeit für ihre Patienten und sind zumeist einem wesentlich höheren Stress- und Belastungsniveau ausgesetzt. Beides kommt dem Patienten sicher nicht gerade zu Gute. Darüber hinaus sind Assistenzärzte, als engster Kontaktpartner der Patienten, schlicht weniger erfahren als niedergelassene Fachärzte. Auch muss davon ausgegangen werden, dass ein Hausarzt seine Patienten besser kennt und daher besser die jeweiligen Bedürfnisse und Besonderheiten eines jeden Patienten berücksichtigen kann.
Die meisten Fehler bleiben trotz widriger Verhältnisse dennoch vermeidbare Fehler. Daher sollte sich jede Klinik kritisch und transparent mit diesem Thema vor allem intern, aber auch extern auseinandersetzten. An den vielen großen Kliniken sind dafür bereits Systeme zur anonymen Meldung von Fehlern und problematischen Abläufen implementiert worden.
Auch die Patienten können einen Anteil zur Fehlervermeidung beitragen. Sie sollen kritisch und aufmerksam sein – nicht einfach hinnehmen, was mit ihnen geplant ist, was mit ihnen gemacht werden soll.