Biontech-Impfstoff gegen Kochsalzlösung ausgetauscht

Weil eine Ampulle Biontech heruntergefallen war, soll eine Beschäftigte im Impfzentrum Friesland sechs Spritzen mit Kochsalzlösung aufgezogen haben. Eine Gesundheitsgefahr bestehe für die sechs Betroffenen jedoch nicht.

200 Personen könnten falsche Lösung erhalten haben

Weil eine Ampulle Biontech heruntergefallen war, soll eine Beschäftigte im Impfzentrum Friesland sechs Spritzen mit Kochsalzlösung aufgezogen haben. Eine Gesundheitsgefahr bestehe für die sechs Betroffenen jedoch nicht.

Sie hätte ihr Missgeschick lediglich melden müssen, aber stattdessen beging die examinierte Krankenschwester einen folgenreichen Fehler: Eine Mitarbeiterin des Impfzentrums Friesland hat eingeräumt, sechs Spritzen statt mit Biontech-Impfstoff nur mit Kochsalzlösung gefüllt zu haben. Nach Behördenangaben war ihr beim Anmischen des Vakzins ein Fläschchen mit Biontech heruntergefallen, was sie vertuschen wollte. Für die sechs Betroffenen besteht nach Behördenangaben keine Gesundheitsgefährdung. Die Kochsalzlösung diene zum Verdünnen des eigentlichen Impfstoffes und sei als Substanz unschädlich, sagte am Sonntag der Präsident des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz.

Frieslands Landrat Sven Ambrosy wirkte bei einer Online-Pressekonferenz sichtlich angegriffen. "Dieser Fall ist zutiefst schockierend", sagte er. Oberste Priorität habe jetzt, die Betroffenen zu kontaktieren. "Ich möchte mein großes und tiefes Bedauern für diese Situation ausdrücken." 200 Personen, die sich am vergangenen Mittwoch impfen ließen, kommen in Frage; sechs von ihnen haben wohl statt Biontech nur Kochsalzlösung bekommen.

Ab sofort gilt Vier-Augen-Prinzip im Impfzentrum

Nach dem Bekanntwerden am Samstag sei sofort das Vier-Augen-Prinzip eingeführt worden, betonte Ambrosy: "Niemand wird mehr mit einem Impfstoff allein gelassen, dass solche Vertuschungen nicht mehr möglich sind." Die Beschuldigte im Alter von etwa 40 Jahren war beim DRK-Kreisverband Jeverland angestellt. Nach DRK-Angaben ist ihre Kündigung auf dem Weg, der Landkreis hat ihr Hausverbot im Impfzentrum erteilt. Die Polizei nahm in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Oldenburg Ermittlungen wegen eines möglichen Körperverletzungsdelikts auf.

Die Frau hatte am Samstag einer Kollegin im Vertrauen von dem drei Tage zurückliegenden Vorfall erzählt. Sie war in der Frühschicht für das Vorbereiten der Spritzen zuständig, impfte aber nicht selbst. Die Kollegin informierte sofort ihre Vorgesetzten. Die Beschuldigte habe vollständig ausgesagt, sagte der Leiter der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland, Heiko von Deetzen. "Sie wirkte sehr authentisch und sehr betroffen." Das Missgeschick sei ihr peinlich gewesen. Die Ermittler gehen derzeit von einem Einzelfall aus.

Betroffene werden durch Antikörpertest ermittelt

"Ich bin fassungslos und erschüttert über die Handlungen dieser Frau. Es handelt sich um ein schweres Vergehen", sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). Das Land unterstütze den Landkreis bei der Aufklärung. Der Leiter des Impfzentrums Friesland, Uwe Nitsche, geht davon aus, dass der Beschuldigten am Mittwoch kurz vor 8.00 Uhr die Ampulle herunterfiel. Um sicherzugehen, sollen alle 200 Personen, die am 21. April bis 13.00 Uhr geimpft wurden, einen Antikörpertest erhalten. Mit dem Antikörpertest am 5. Mai kann geklärt werden, wer kein Biontech erhielt und bei wem die Impfung deshalb am 12. Mai nachgeholt werden muss.

Das Impfzentrum Friesland befindet sich in einer ehemaligen Schule in Roffhausen, das zur Gemeinde Schortens gehört. Wenn die Frau ihr Missgeschick sofort gemeldet hätte, wäre dies kein Problem gewesen, betonte Nitsche. Es hätten keine Impfberechtigte nach Hause geschickt werden müssen, weil es immer kurzfristige Stornierungen gebe. Am Sonntag warteten viele Menschen in einer Schlange vor der Anmeldung auf ihre Impfung. In Niedersachsen wurde für diesen Samstag und Sonntag ein Impfwochenende ausgerufen, um mehr Tempo zu machen. Einige Wartenden vor dem Impfzentrum hatten noch gar nichts von den Ermittlungen gegen die Frau gehört, die noch bis zum Vortag im Impfzentrum arbeitete. Wird durch diesen Einzelfall das Vertrauen in die Corona-Impfungen sinken?

"Grundsätzlich gehen die Impfzentren sehr verantwortungsbewusst mit den Impfstoffen um", sagte die Sprecherin des Gesundheitsministerium, Stefanie Geisler, der Deutschen Presse-Agentur. Sie seien an hohe Auflagen und Qualitätsstandards gebunden. Besondere Vorkommnisse müssten dem Land gemeldet werden. Es gebe aber keine Meldepflicht, wenn Ampullen mit Impfstoff herunterfallen oder zerbrechen. "Wir werden diesen Vorfall noch einmal zum Anlass nehmen und mit den Impfzentren die Prozesse, auch mit dem besonderen Hinweis auf das Vier-Augen-Prinzip in der Anmischung der Impfstoffe, durchleuchten", sagte die Sprecherin.