Augeninfarkt durch Vorhofflimmern: Ist das Risiko erhöht?

Bei älteren Menschen mit Vorhofflimmern kommt es etwas häufiger zu Augeninfarkten als bei Gleichaltrigen ohne diese Rhythmusstörung – statistisch signifikant, klinisch jedoch kaum relevant.

Vorhofflimmern und Augeninfarkt – die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

Durchgeführt wurde eine retrospektive Kohortenstudie (DOI: )  auf Basis von Abrechnungsdaten der US-Krankenversicherung Medicare. Analysiert wurde eine Stichprobe der Versicherten im Alter von 66 Jahren und älter für den Zeitraum 2000 bis 2020. Insgesamt wurden über 1,09 Millionen Personen eingeschlossen; gut die Hälfte davon (545.072) hatte eine Diagnose von Vorhofflimmern und wurde jeweils mit einer Person ohne Vorhofflimmern verglichen. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug rund 3,75 Jahre. Der primäre Studienendpunkt war die erstmalige Diagnose eines Zentralarterienverschlusses der Netzhaut (retinaler Schlaganfall). Zum Abgleich der Ergebnisse wurden zudem ein bekannter Positiv-Kontroll-Endpunkt (ischämischer Hirninfarkt) sowie vier Negativ-Kontroll-Endpunkte ohne erwarteten Zusammenhang mit (Netzhautvenenverschluss, Harnwegsinfektion, Oberarmfraktur und Katarakt) ausgewertet. Durch statistische Methoden wurde sichergestellt, dass sich die Vergleichsgruppen mit und ohne VHF in wichtigen Merkmalen möglichst ähneln.

Leicht erhöhtes Risiko für Augeninfarkt

Im Beobachtungszeitraum entwickelten 1.333 Personen mit VHF einen retinalen Arterienverschluss, verglichen mit 1.082 Personen ohne VHF. Das entspricht einer Inzidenz von 0,55 pro 1000 Personenjahre in der VHF-Gruppe gegenüber 0,50 pro 1000 Personenjahre in der Kontrollgruppe. Der Unterschied war statistisch signifikant: Nach Anpassung auf mögliche Störfaktoren war Vorhofflimmern mit einem um 14 % erhöhten Risiko für Augeninfarkte verbunden (HR 1,14; 95 %-KI 1,02–1,28). In absoluten Zahlen war der Effekt jedoch sehr klein – die adjustierte Differenz betrug lediglich 0,05 Fälle pro 1000 Personenjahre. Anders ausgedrückt: In einer Gruppe von 20.000 Personen würde im Schnitt nur ein zusätzlicher Augeninfarkt pro Jahr auftreten.

Deutlich höheres Schlaganfallrisiko bestätigt

Zum Vergleich bestätigte die Studie das erwartungsgemäß deutlich höhere ischämische Hirninfarktrisiko bei VHF. In der Auswertung der Positiv-Kontrolle ergab sich eine HR von 1,73 (95 %-KI 1,69–1,76) für Schlaganfälle bei Patienten mit VHF. Absolut entspricht dies etwa 10 zusätzlichen Hirninfarkten pro 1000 Personenjahre in der VHF-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe – und damit einem um Größenordnungen höheren Risikoanstieg als beim retinalen . Dieses Ergebnis untermauert die hohe klinische Relevanz von Vorhofflimmern als Schlaganfall-Risikofaktor für das zentrale Nervensystem, verdeutlicht aber zugleich, dass ein möglicher Einfluss auf Augeninfarkte vergleichsweise gering ausfällt.

Unerwartete Assoziationen in den Kontrollanalysen

Ein wichtiger Bestandteil der Studie war die Überprüfung auf mögliche verzerrende Einflüsse durch sogenannte Negativ-Kontrollen. Hierbei zeigte sich, dass VHF – wie angenommen – keinen Einfluss auf den Verschluss der Zentralvene der Netzhaut hatte (Hazard Ratio ~1,0). Allerdings traten in der VHF-Gruppe mehrere andere Ereignisse signifikant häufiger auf, obwohl kein direkter ursächlicher Zusammenhang mit Herzrhythmusstörungen bekannt ist: Harnwegsinfektionen, Katarakte und Oberarmbrüche. Diese unerwarteten Assoziationen deuten darauf hin, dass sich die untersuchten Patientengruppen trotz Matching noch in bestimmten Gesundheitsfaktoren unterschieden. Mit anderen Worten könnten Begleiterkrankungen oder allgemein ein höheres Krankheits- und Risikoprofil bei VHF-Patienten zu den beobachteten Unterschieden beigetragen haben. Die Studienautoren weisen explizit darauf hin, dass ein Einfluss solcher unbeobachteter Störfaktoren aufgrund der geringen Effektgröße nicht auszuschließen ist.

Fazit: Minimale Risikoerhöhung für Augeninfarkt bei Vorhofflimmern

Diese große Kohortenstudie aus den USA zeigt einen unabhängigen statistischen Zusammenhang zwischen Vorhofflimmern und dem Auftreten von retinalen Schlaganfällen. Die beobachtete Risikoerhöhung war jedoch äußerst gering und lässt sich möglicherweise ganz oder teilweise durch nicht erfasste Einflussfaktoren erklären. Aufgrund der begrenzten absoluten Fallzahl und der speziellen Studienpopulation (Senioren ≥66 Jahre in Medicare) bleibt unklar, inwieweit dieses Resultat klinische Relevanz besitzt und auf andere Gruppen übertragbar ist. Die Autoren betonen, dass weitere Untersuchungen erforderlich sind – etwa um den Einfluss einer Gerinnungshemmung bei Vorhofflimmern auf das Netzhautinfarktrisiko zu klären. Die Ergebnisse sind für die von Interesse, da sie zeigen, wie selten Augeninfarkte sind und wie geringfügig ein bestehendes Vorhofflimmern das absolute Risiko zusätzlich beeinflusst.

Quelle:
  1. Lusk JB, Nalawade V, Wilson LE, Song A, Schrag M, Biousse V, Dumitrascu O, Poli S, Piccini J, Hammill B, Li F, Xian Y, O'Brien E, Mac Grory B. Atrial Fibrillation and Retinal Stroke. JAMA Netw Open. 2025 Jan 2;8(1):e2453819. doi: . PMID: 39786774; PMCID: PMC11718556.