Der frühere Standard zur Diagnostik des Prostatakarzinoms – eine ultraschallgestützte, transrektale Biopsie – wird nun durch ein primär durchgeführtes multiparametrisches MRT (mpMRT) abgelöst. Dieses erlaubt eine gleichzeitige Einschätzung des T-Stadiums und der Tumorbiologie anhand des PI-RADS-Scores. Ein hoher Score spricht für ein klinisch relevantes Karzinom und damit für eine Biopsie. Fällt schließlich die Entscheidung für eine Probenentnahme, wird diese MR-gesteuert aus den verdächtigen Arealen entnommen.
PROMIS und PRECISION zeigten, dass mpMRT unnötige Biopsien reduzieren und klinisch relevante besser detektieren kann. ESMO und EAU empfehlen daher das mpMRT als ersten Schritt, gefolgt von gezielter Biopsie bei PI-RADS 4/5 oder PI-RADS 3 mit Risikofaktoren wie hoher PSA-Dichte. Die S3-Leitlinie hält dagegen weiterhin an der systematischen transrektalen Biopsie fest.
Das Fazit des Referenten: MRT vor Biopsie ist der neue Standard.
ADT plus ARPI beim metastasierten Prostatakarzinom
Beim metastasierten Prostatakarzinom war lange der Androgenentzug durch Orchiektomie oder LHRH-Agonisten bzw. -Antagonisten Standard (ADT). Neue Substanzen blockieren zusätzlich den Androgenrezeptor-Signalweg (ARPI). Die STAMPEDE-Studie zeigte nun für die Kombination von ADT und ARPI einen signifikanten Überlebensvorteil.
Die S3-, ESMO- und EAU-Leitlinie empfehlen diese Kombination bei Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom und einer Lebenserwartung über drei Jahren. Zur ADT kommen LHRH-Agonisten (z. B. Goserelin, Leuprorelin, Triptorelin) oder die Orchiektomie zum Einsatz, zur ARPI z. B. Abirateron, Enzalutamid, Apalutamid oder Darolutamid.
Durvalumab bei muskelinvasivem Harnblasenkarzinom
Bei muskelinvasivem, lokal begrenztem Urothelkarzinom ist die radikale Zystektomie Standard. Ergänzt wird sie bisher durch eine mit Cisplatin/Gemcitabin.
Neue Studiendaten belegen, dass eine zusätzliche perioperative Gabe von Durvalumab zu höheren Ansprechraten und verbessertem krankheitsfreiem sowie Gesamtüberleben führt. Die EAU-Leitlinie erwähnt diese Kombination mit Evidenzlevel 1, spricht aber noch keine ausdrückliche Empfehlung aus. Laut Prof. Beyer besteht hier Anpassungsbedarf. Aus seiner Sicht stellt die Kombination bei cisplatintauglichen Patienten bereits den neuen Standard dar.
Enfortumab Vedotin + Pembrolizumab beim metastasierten Harnblasenkarzinom
Standard in der Erstlinientherapie beim metastasierten Urothelkarzinom war bislang eine Platin-basierte Chemotherapie (Cisplatin/Gemcitabin). Eine aktuelle Phase-III-Studie verglich dieses Vorgehen mit einer chemotherapiefreien Kombination aus dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Enfortumab Vedotin und dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab.
Das Ergebnis: 20 % Überlebensvorteil und deutlich verbesserte progressionsfreie sowie Gesamtüberlebensraten zugunsten der Enfortumab Vedotin/Pembrolizumab-Gruppe. Prof. Beyer sieht in dieser Kombination den neuen Erstlinienstandard. Auch die EAU-Leitlinie empfiehlt sie bereits als bevorzugte Option; Chemotherapie gilt dort nur noch als Alternative bei Kontraindikationen.
Pembrolizumab beim Nierenzellkarzinom Stadium III
Abschließend wurde auf das Nierenzellkarzinom eingegangen. Hier gab es Neues zur adjuvanten Therapie im Stadium III (lokal fortgeschritten, hohe Rezidivgefahr nach Operation). In der Studie KEYNOTE-564-Studie wurden Betroffene ein Jahr lang mit Pembrolizumab behandelt.
Ergebnis: ein zwar moderater, aber signifikanter Überlebensvorteil. Die S3-, EAU- und Onkopedia-Leitlinien empfehlen Pembrolizumab bei passender Risikokonstellation und sofern die Einschlusskriterien der KEYNOTE-564-Studie erfüllt sind. ESMO bleibt vorsichtiger und rät nur zur Erwägung einer Therapie mit Pembrolizumab – vermutlich, weil andere Studien zur adjuvanten Immuntherapie mit anderen Checkpoint-Inhibitoren beim Nierenzellkarzinom negative Resultate zeigten.
Fazit des Referenten: Adjuvantes Pembrolizumab ist eine Option bei hohem Rückfallrisiko.
Therapiestandards im Umbruch
Die vorgestellten Entwicklungen verdeutlichen, wie neue Studiendaten rasch die Therapiestandards bei urogenitalen Tumoren verändern können. In allen drei Bereichen – Prostatakarzinom, Harnblasenkarzinom und Nierenzellkarzinom – liegen evidenzbasierte Verbesserungen vor, die teils bereits in Leitlinienempfehlungen eingeflossen sind. Wo die Leitlinien noch zögern oder uneinheitlich sind, besteht Anpassungsbedarf, damit Patienten zeitnah von den optimierten Therapieoptionen profitieren können.
- Beyer, Jörg, Prof. Dr. med., Universitätsspital Bern. Vortrag: Urogenitaltumoren. Sitzung: Leitlinienupdate Onkologie. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2025, Wiesbaden, 03.05.2025.
- Ahmed HU et al. Lancet. 2017 Feb 25;389(10071):815-822.
- Kasivisvanathan V et al. N Engl J Med. 2018 May 10;378(19):1767-1777.
- Powles T et al. N Engl J Med. 2024 Nov 14;391(19):1773-1786.
- Powles T et al. Lancet Oncol. 2022 Sep;23(9):1133-1144. doi: 10.1016/S1470-2045(22)00487-9. Erratum in: Lancet Oncol. 2023 Jan;24(1):e10.
- Powles T et al. N Engl J Med. 2024 Mar 7;390(10):875-888.