Über- und Fehlmedikationen bei Demenzkranken besonders häufig

Ältere Menschen mit Demenz erhalten mehr Medikamente gleichzeitig, darunter häufig auch solche, die in dieser Patientengruppe zu schwerwiegenderen Nebenwirkungen führen können.

Wie häufig erhalten älteren Erwachsenen mit Demenz eine Hochrisikomedikation?

Die Auswertung stützte sich auf Daten von 1.441 Menschen mit einer gesicherten Diagnose einer Demenz (Durchschnittsalter 84 Jahre, 67% weiblich). Aus den kürzlich veröffentlichten Daten ging hervor, dass zwei Drittel (66%) der eingenommenen Dauermedikationen gemäß der 'STOPPFrail'-Kriterien im Alter als ungeeignet gelten, zum Beispiel ZNS-wirksame Medikamente (wie Benzodiazepine, Antipsychotika und Opioide), aber auch Protonenpumpenhemmer, NSAIDs, sowie bestimmte Antihypertensiva und Antidiabetika.

Drei Viertel (73%) der Befragten hatten mindestens ein solches potenziell problematisches Medikament auf dem Plan; im Mittel waren es zwei pro Person. Zu 41% waren Medikamente vertreten, die die Kognition beeinträchtigen. Übermäßige oder unsachgemäße Verordnungen bestanden oft auch in einer zu aggressiven Therapie von Diabetes/ Hypertonus (17%), wie etwa der Gabe von Insulin/ Sulfonylharnstoffen trotz eines HbA1c < 7,5%.

Die Bemühungen um eine Reduzierung der Verordnungen bei älteren Demenzkranken sollten sich nicht nur auf potenziell schädliche zentral wirksame Medikamente konzentrieren, sondern auch auf andere Medikamentenklassen wie PPI und NSAIDs, schließen die Autoren der Auswertung.1

Fazit für die Praxis: Strenge Selektion ist wichtig!

Polypharmazie im Alter ist ein in den letzten Jahren rasch zunehmendes Phänomen – dabei wäre es gerade in der geriatrischen Population wichtig, dies zu vermeiden, weil das Risiko für Neben- und Wechselwirkungen im Rahmen von Alterungsprozessen ohnehin steigt.3

Wie wir in einem früheren Beitrag diesen Jahres zur ausführten, enthalten Multimedikationen bei 25% der älteren Menschen in Deutschland sogenannte PIMs, potenziell inadäquate Medikationen im Alter. Deren Einnahme geht nachweislich mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen, Hospitalisationen und einer schlechteren Lebensqualität einher.3-5

Eine gute Ressource für Deutschland ist die kürzliche erweiterte PRISCUS-Liste. Diese gibt einen Überblick über PIMs und enthält neben Vorschlägen für Alternativen auch wertvolle Informationen zum Monitoring und Interaktionen, falls der Einsatz einer solchen Medikation nicht vermeidbar ist.
 

DGN-Kongress 2023: Neurodegenerative Erkrankungen im Fokus 

Der DGN-Kongress vom 8. bis zum 11. November 2023 im CityCube Berlin hat den Fokus auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson gelegt. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hat mit ihrem Programm 2023 die neurologischen Folgen einer alternden Gesellschaft in den Mittelpunkt gerückt. esanum berichtet vom DGN Kongress zum Beispiel auch über den Einfluss der Neuroinflammation bei MS oder das Leitlinien-Update zur Epilepsie. Hier finden Sie die aktuelle Berichterstattung.

Quellen:
  1. Deardorff, W. J. et al. Medication misuse and overuse in community-dwelling persons with dementia. J Am Geriatr Soc 71, 3086–3098 (2023).
  2. Shahroodi, R. Medication misuse and overuse in community-dwelling persons with dementia. US Deprescribing Research Network.
  3. Priscus 2.0
  4. Thiem, U. et al. Reduction of potentially inappropriate medication in the elderly: design of a cluster-randomised controlled trial in German primary care practices (RIME). Ther Adv Drug Saf 12, 2042098620918459 (2020).
  5. Endres, H. G. et al. Association between Potentially Inappropriate Medication (PIM) Use and Risk of Hospitalization in Older Adults: An Observational Study Based on Routine Data Comparing PIM Use with Use of PIM Alternatives. PLoS One 11, e0146811 (2016).

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