Schlafgesundheit: Der Einfluss von Bildschirmen auf unseren Körper

Smartphones und Tablets rauben Europas Jugendlichen den Schlaf – mit messbaren Folgen für Psyche, Leistungsfähigkeit und Gesundheit.

Digitale Geräte und neue Dimensionen von Schlafstörungen

Im vergangenen Jahrzehnt ist die Zahl der Schlafstörungen in Europa beispiellos gestiegen. Jugendliche und Erwachsene berichten von kürzeren nächtlichen Schlafphasen, Schlafunterbrechungen und anhaltendem . Obwohl verschiedene Faktoren zu diesem Trend beitragen, hat sich die Nutzung digitaler Geräte am Abend als einer der verbreitetsten und klinisch relevantesten Faktoren herauskristallisiert. Smartphones, Tablets und Spielkonsolen sind für Millionen Menschen zum letzten Stimulus vor dem Einschlafen geworden und verschieben auf subtile, aber stetige Weise den zirkadianen Rhythmus, erhöhen die physiologische Erregung und untergraben den Erholungswert des Schlafs.

Die Epidemiologie zeigt es eindeutig: Junge Europäer schlafen weniger als je zuvor. Erhebungen aus Nord- und Westeuropa zeigen einen Rückgang der durchschnittlichen Schlafdauer um 30 bis 60 Minuten in den letzten 15 Jahren, mit deutlichen Unterschieden zwischen den Ländern, aber einem einheitlichen Abwärtstrend. Bis zu einem Drittel der Jugendlichen unterschreiten an Schultagen mittlerweile die empfohlenen 8–10 Stunden Schlaf – mit Korrelation zu erhöhter Bildschirmnutzung. Die Übersichtsarbeit von Hale und Guan zeigte, dass die Nutzung digitaler Geräte bei Jugendlichen mit späteren Bettgehzeiten, verlängerter Einschlaflatenz und verkürzter verbunden ist. Doch das Phänomen betrifft längst nicht mehr nur Jugendliche; auch Erwachsene zeigen ähnliche Muster, beeinflusst durch nächtliche Nachrichten, Erreichbarkeit für die Arbeit und die Gewohnheit, vor dem Einschlafen durch die News-Feeds sozialer Medien zu scrollen.

Digitale Überstimulation und die Biologie des schlechten Schlafs

Die zugrunde liegenden biologischen Prozesse sind wissenschaftlich gut erforscht. Die Exposition gegenüber kurzwelligem („blauen") Licht unterdrückt die Melatoninsekretion, verzögert den Schlafbeginn und verschiebt die innere Uhr. Kontrollierte Laborstudien, wie die Arbeit von Höhn und Kollegen, haben gezeigt, dass bereits eine kurze abendliche Smartphone-Nutzung das endogene reduzieren und die Tiefe des nachfolgenden Schlafs beeinträchtigen kann – mit messbaren Folgen für die kognitive Leistungsfähigkeit am nächsten Morgen. Doch digitale Geräte stören den Schlaf nicht nur durch Licht. Interaktive Inhalte erhöhen die sympathische Aktivierung, emotionale Erregung und kognitive Belastung, insbesondere wenn die Aktivität soziale Interaktion oder kompetitives Gaming beinhaltet. Dieser „Alarmierungseffekt" ist das genaue Gegenteil dessen, was der Körper für gesunden Schlaf braucht: ein Herunterfahren des Körpers.

Jugendliche stellen eine besonders vulnerable Gruppe dar. Ihr zirkadianer Rhythmus ist natürlicherweise zu späteren Phasen verschoben. Abendliche Bildschirm-Zeit verstärkt diesen Effekt, wodurch der frühe Schulstart noch stärker mit den biologischen Rhythmen kollidiert. Studien aus Großbritannien, Deutschland und den nordischen Ländern haben die nächtliche Bildschirmzeit mit schlechteren schulischen Leistungen, Stimmungsinstabilität, Reizbarkeit und höheren Raten von in Verbindung gebracht. Lemolas Längsschnittforschung ging noch weiter und zeigte, dass nächtliche digitale Mediennutzung nicht nur ein signifikanter Prädiktor für Schlafstörungen ist, sondern auch für depressive Symptome – eine Assoziation, die wahrscheinlich durch eine Kombination aus Schlafmangel, sozialem Stress und emotionaler Überstimulation vermittelt wird. Die Effekte akkumulieren im Zeitverlauf und tragen zu einem Kreislauf bei, in dem unzureichender Schlaf die Selbstregulation verschlechtert und die Wahrscheinlichkeit weiterer nächtlicher Geräte­nutzung erhöht.

Auch Erwachsene bleiben keineswegs verschont. Die abendliche digitale Exposition ist bei Schichtarbeitern und Angehörigen der Gesundheitsberufe verbreitet, deren Zeitpläne bereits anfällig für zirkadiane Störungen sind. Benachrichtigungen während Bereitschaftsdiensten, Nachrichten von Kollegen und die Erwartung von ständiger Erreichbarkeit nach Dienstschluss halten das sympathische System bis spät in die Nacht aktiviert. Chronische Schlafsörungen tragen über die Zeit zu erhöhten , verminderter Resilienz, beeinträchtigtem Glukosestoffwechsel und erhöhter Infektanfälligkeit bei. Das bedeutet auch: Schlechterer Schlaf geht mit langsameren Reaktionszeiten, verminderter Konzentration und einer höheren Fehlerwahrscheinlichkeit einher.

Das Problem geht über individuelles Verhalten hinaus – es zeigt einen grundlegenden Wandel unserer Umgebung. Digitale Geräte haben die letzten Minuten vor dem Einschlafen erobert und Aktivitäten verdrängt, die früher beim Entspannen halfen: Lesen, ruhige Abendrituale, Gespräche. Das Gehirn bekommt kaum noch Zeit für Verarbeitung und Signale zum Abschalten. Interventionen zur Schadensbegrenzung, wie der „Nachtmodus" oder Blaulichtfilter, bieten nur begrenzten Nutzen. Studien zeigten moderate Verbesserungen der subjektiven Schlafqualität bei reduziertem Blaulicht, doch diese Maßnahmen kompensieren nicht vollständig die kognitive und emotionale Stimulation, die interaktiven Geräten inhärent ist.

Implikationen und Fazit

Klinisch ergeben sich daraus mehrere Herausforderungen, aber auch Chancen. Traditionelle Schlafhygiene-Empfehlungen bleiben notwendig, sind aber unzureichend, wenn Patienten konstanten digitalen Stimuli ausgesetzt sind. Stattdessen unterstützt die aktuelle Studienlage zunehmend strukturierte Interventionen wie die bei Insomnie (KVT-I). Maßnahmen wie spätere Schulanfangszeiten, digitale Auszeiten und die elterliche Begleitung der Gerätenutzung könnten die chronische Fehlregulation bei Jugendlichen reduzieren – und damit auch Erschöpfung und emotionale Instabilität lindern. Bei Erwachsenen, insbesondere im Gesundheitswesen, dürften organisatorische Strategien wirksamer sein als rein individuelle Verhaltensempfehlungen. Dies gilt vor allem für Maßnahmen, die die digitale Erreichbarkeit nach Dienstschluss begrenzen und verlässliche Ruhezeiten sichern.

Während Europa mit steigenden Stressleveln, psychischen Gesundheitsproblemen und einem anhaltenden Rückgang der Schlafdauer ringt, wird zunehmend klar, dass Schlafgesundheit zu einer zentralen Komponente der Präventivmedizin werden muss. sind nicht die einzige Ursache von Schlafstörungen, aber sie stellen eine der ubiquitärsten und modifizierbaren dar. Die Anerkennung ihres Einflusses ermöglicht es Klinikern, über allgemeine Ratschläge hinauszugehen und gezielte Interventionen zu entwickeln. Schlaf ist nicht bloß die Abwesenheit von Wachheit; er ist ein aktiver, regenerativer Prozess, der für physische, emotionale und kognitive Resilienz essenziell ist. Im digitalen Zeitalter erfordert sein Schutz sowohl individuelles Bewusstsein als auch systemischen Wandel.

Quellen:
  1. Hale L, Kirschen GW, LeBourgeois MK, Gradisar M, Garrison MM, Montgomery-Downs H, Kirschen H, McHale SM, Chang AM, Buxton OM. Youth Screen Media Habits and Sleep: Sleep-Friendly Screen Behavior Recommendations for Clinicians, Educators, and Parents. Child Adolesc Psychiatr Clin N Am. 2018 Apr;27(2):229-245. doi: 10.1016/j.chc.2017.11.014. PMID: 29502749; PMCID: PMC5839336.
  2. Lemola S, Perkinson-Gloor N, Brand S, Dewald-Kaufmann JF, Grob A. Adolescents' electronic media use at night, sleep disturbance, and depressive symptoms in the smartphone age. J Youth Adolesc. 2015 Feb;44(2):405-18. doi: 10.1007/s10964-014-0176-x. Epub 2014 Sep 10. PMID: 25204836.
  3. Höhn C, Hahn MA, Gruber G, Pletzer B, Cajochen C, Hoedlmoser K. Effects of evening smartphone use on sleep and declarative memory consolidation in male adolescents and young adults. Brain Commun. 2024 May 17;6(3):fcae173. doi: 10.1093/braincomms/fcae173. PMID: 38846535; PMCID: PMC11154150.
  4. Arshad D, Joyia UM, Fatima S, Khalid N, Rishi AI, Rahim NUA, Bukhari SF, Shairwani GK, Salmaan A. The adverse impact of excessive smartphone screen-time on sleep quality among young adults: A prospective cohort. Sleep Sci. 2021 Jan-Mar;14(4):337-341. doi: 10.5935/1984-0063.20200114. PMID: 35087630; PMCID: PMC8776263.