Apoplex: Tenecteplase oder Alteplase?

In der bislang größten Head-to-Head-Studie schnitt Tenecteplase zur Thrombolyse nach ischämischem Schlaganfall nicht schlechter ab als das bisherige Standardfibrinolytikum Alteplase.

'ATTEST-2'-Studie zeigt Nicht-Unterlegenheit von Tenecteplase

Im Rahmen der prospektiven 'ATTEST-2'-Studie an 39 Zentren in Großbritannien wurden 1.777 Patienten mit akutem ischämischen Apoplex, die für eine systemische Lysetherapie infrage kamen, zur Verabreichung von Alteplase (0,9 mg/kg) oder Tenecteplase (0,25 mg/kg) binnen 4,5 Stunden nach Symptombeginn randomisiert.2 Das Durchschnittsalter lag bei 70 Jahren.

Der primäre Endpunkt war die neurologische Behinderung nach 90 Tagen, gemessen am modifizierten Rankin-Scale-Score (mRS). Beide Gruppen schnitten hier vergleichbar ab, Tenecteplase erfüllte also die Kriterien für Nicht-Unterlegenheit, war jedoch gegenüber Alteplase auch nicht überlegen.
Auch bezüglich der sekundären Endpunkte gab es keine signifikanten Unterschiede: Mit Tenecteplase erreichten vergleichbar viele Patienten eine ausgezeichnete neurologische Erholung (mRS 0 oder 1) wie nach Alteplase. In beiden Kohorten verstarben je 8 % der Patienten und je 2 % erlitten Hirnblutungen.

Die Studienautoren führten zusätzlich eine Metaanalyse durch, bei der sie sowohl ihre aktuellen Ergebnisse als auch die weiteren Studien berücksichtigten. Hierbei zeichnete sich ein Trend zu einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine sehr gute neurologische Erholung (mRS 0 oder 1) unter Tenecteplase ab.

Könnte Tenecteplase Vorteile gegenüber Alteplase bieten?

In dieser Studie unterzogen sich 12,4 % der Patienten einer Thrombektomie. Im Zusammenhang mit Krankenhaustransfers für die endovaskuläre Thrombektomie könnte die einfachere Verabreichung von Tenecteplase einen Vorteil bedeuten, der kürzere Door-to-Needle-Zeiten ermöglicht, so die Autoren. Künftige Studien sollten untersuchen, ob Real-World-Daten dieser Annahme recht geben.
„Da Tenecteplase als einmalige Injektion verabreicht wird, kann die gesamte Dosis sofort appliziert werden, wodurch diese logistischen Hindernisse minimiert werden. Je schneller die Maßnahmen durchgeführt werden können, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Genesung“, erklärt Erstautor Professor Keith Muir von der Universität Glasgow.3

Ein weiteres wichtiges Kriterium sind Blutungskomplikationen. Beobachtungsstudien legten zwar eine geringere Inzidenz von symptomatischen intrazerebralen Blutungen unter Tenecteplase nahe, die randomisierten Daten aus der 'ATTEST-2'- oder der 'AcT'-Studie konnten dies jedoch nicht bestätigen. Hämorrhagische Komplikationen (intra- und extrakraniell) waren hier entweder gleich häufig oder häufiger mit Tenecteplase. Die Inzidenz von symptomatischen intrazerebralen Blutungen nach Tenecteplase über beide Studien zusammen betrug 2,8 % (47/1685).2

Könnte Alteplase als Standardmedikament für die Thrombolyse durch Tenecteplase abgelöst werden?

„Ein Thrombolyse-Medikament, das als einmalige Injektion verabreicht wird, verkürzt die Behandlungszeiten bei Schlaganfällen und verringert neurologische Behinderungen“, twitterte auch einer der Koautoren, Dr. Richard Marigold, Spezialist für Schlaganfallmedizin von der Universitätsklinik Southhampton.4

Die Ergebnisse hätten bereits eine Änderung der klinischen Leitlinien angestoßen, schreibt die British Heart Foundation, welche die Studie mitfinanziert hat.3 Im Sommer 2024 sprach sich das in Großbritannien für Leitlinien zuständige National Institute of Health and Care Excellence (NICE) bereits für Tenecteplase als alternative Option zu Alteplase aus, basierend auf den vorläufigen Ergebnissen der 'ATTEST-2'-Studie. Da Tenecteplase kostengünstiger sei als Alteplase, könnte sein Einsatz möglicherweise „Millionen“ einsparen.3

Fazit für die Praxis

Die Wirksamkeit von Tenecteplase binnen 4,5 Stunden nach Apoplex ist diesen Daten zufolge mit jener der Standardtherapie Alteplase gleichauf (aber auch nicht besser) in Bezug auf die Minimierung der mittelfristigen Behinderung, hat aber den Vorteil, dass sie als einmaliger Bolus verabreicht wird.
Zukünftige Arbeiten sollten die Sicherheit und Wirksamkeit auch in späteren Zeitfenstern oder bei unbekanntem Beginn der Schlaganfallsymptomatik (etwa beim Aufwachen) untersuchen.

Quellen:
  1. Zhong, C. S. et al. Routine Use of Tenecteplase for Thrombolysis in Acute Ischemic Stroke. Stroke 52, 1087–1090 (2021).
  2. Muir, K. W. et al. Tenecteplase versus alteplase for acute stroke within 4·5 h of onset (ATTEST-2): a randomised, parallel group, open-label trial. The Lancet Neurology 23, 1087–1096 (2024).
  3. Stroke - ATTEST-2. British Heart Foundation https://www.bhf.org.uk/what-we-do/our-research/impact-of-clinical-trials/attest-2-trial.
  4. Richard Marigold auf X: „Great to see ATTEST2 published @TheLancetNeuro supporting the safety and efficacy of tenecteplase versus alteplase. A thrombolysis drug given as a single injection will speed up stroke treatment times and reduce neurological disability.“ / X. X (formerly Twitter) https://x.com/rmarig1/status/1847236588977143942 (2024).