Appendizitis: Geht es auch ohne Operation?

Eine Antibiose kann bei akuter Appendizitis eine Alternative zur Operation darstellen und dazu führen, dass etwa zwei Drittel der Patienten im ersten Jahr keine Appendektomie benötigen.

Neue Arbeit versucht, Ordnung in die vorhandene Evidenz zu bringen

Eine aktuell im 'Lancet Gastroenterology' publizierte Metaanalyse hat sich die Patientendaten früherer Studien noch einmal vorgenommen und eine Gesamtauswertung mit streng einheitlichen Kriterien durchgeführt.1
Zu diesem Thema liegen bereits Metaanalysen vor. Der Unterschied hierbei: Einfache Meta-Analyseverfahren nutzen meist aggregierte zusammenfassende Statistiken; die neue Arbeit stützt sich auf individuelle Teilnehmerdaten, was detaillierte Subgruppenanalysen und eine einheitliche Anwendung von Definitionen ermöglicht. Zudem hatte bislang noch keine der Metaanalysen die Daten der neuesten Studie (CODA-Studie) berücksichtigt.

Für sechs randomisierte, kontrollierte Studien waren individuelle Patientendaten verfügbar. Insgesamt gingen 2.101 Erwachsene mit bildgebend bestätigter akuter Blinddarmentzündung in die Analyse ein, hiervon waren 60,5 % männlich; 1.050 waren nach dem Zufallsprinzip einer antibiotischen Behandlung und 1.051 einer Operation zugeteilt worden. 

Wie sehen die Behandlungsergebnisse nach einem Jahr ohne OP aus?

Nach einem Jahr lag die Komplikationsrate in der Antibiotika-Kohorte bei 5,4 %, in der Appendektomie-Gruppe waren es 8,3 % (Odds ratio 0,49; Risikodifferenz -4,5 Prozentpunkte). Jeder Dritte (33,9 %) der ursprünglich nicht operierten Patienten unterzog sich binnen eines Jahres dann doch dem Eingriff.

Wie Vorarbeiten berichteten, erhöht das Vorhandensein von Appendikolithen (Kotsteinen) das Risiko eines Antibiotikaversagens und die Wahrscheinlichkeit einer nachfolgenden Appendektomie. Dieses Signal bestätigte sich auch hier: Patienten mit entsprechendem Befund in der präinterventionellen Bildgebung verzeichneten ohne Operation ein erhöhtes Risiko, binnen eines Jahres Komplikationen zu erleiden (15 % ohne OP versus 6,3 % mit OP; OR 2,82; Risikodifferenz 13,2 Prozentpunkte). Fast die Hälfte (48,7 %) der initial nur antibiotisch behandelten Patienten mit Appendikolithen wurden binnen eines Jahres doch operiert (versus 30,6 % ohne Appendikolith).

"Neben der Standardisierung der bildgebenden Kriterien für den Schweregrad der Appendizitis bleibt die tatsächliche Rolle von Antibiotika eine große Wissenslücke, die in Zukunft große Doppelblindstudien erfordert", resümieren die Autoren. Sie beklagen, dass es – trotz eines allmählichen Paradigmenwandels in der Praxis – noch immer an einheitlichen, internationalen Kriterien fehlt, um die Selektion von Patienten und Behandlungsstrategie zu optimieren.

Fazit für die Praxis

Eine zunehmende Zahl von Studien deutet darauf hin, dass eine antibiotische Behandlung bei Patienten mit per Bildgebung bestätigter unkomplizierter akuter Appendizitis eine sichere Alternative zu einer Operation sein kann. Die Auswahl geeigneter Patienten sollte von der Bildgebung gestützt werden, da beispielsweise Patienten mit Appendikolithen möglicherweise nicht optimal für ein nicht-operatives Vorgehen geeignet sind

Die Autoren betonen auch die Bedeutung von patientenzentrierten Endpunkten, wie z. B. der Lebensqualität.

„Insbesondere ist gezeigt worden, dass einige Patienten möglicherweise nicht dieselben Vorstellungen von einem Behandlungserfolg haben wie die Chirurgen und bereit sind, ein erhebliches Risiko eines anfänglichen Versagens der Antibiotikabehandlung in Kauf zu nehmen, um eine Operation zu vermeiden.“1

Quelle:
  1. Scheijmans, J. C. G. et al. Antibiotic treatment versus appendicectomy for acute appendicitis in adults: an individual patient data meta-analysis. The Lancet Gastroenterology & Hepatology 10, 222–233 (2025).