PD Dr. Morbach erläutert im Interview mit esanum die vielversprechenden Entwicklungen bei der Behandlung der ATTR-Amyloidose, insbesondere bei kardialen Manifestationen. Traditionell als untherapierbar eingeschätzt, hat sich die Behandlung der Amyloidose in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Die Einführung der Transthyretin-Stabilisatoren war ein erster bedeutender Schritt. Diese Medikamente verhindern das Zerfallen von Tetrameren in Monomere und somit die Ablagerung fehlgefalteter Proteine im Gewebe. Eine neuere Entwicklung ist die Small Interfering RNA (siRNA), konkret Vutrisiran, welches die Bildung von Transthyretin in der Leber hemmt und dadurch früher in den Krankheitsprozess eingreift. Studien zeigen, dass Vutrisiran die Hospitalisierungen und Mortalitätsrate effektiv senken kann.
Die Wahl der passenden Patienten für RNA-interferenzbasierte Therapien wie Vutrisiran spielt eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg. Laut PD Dr. Morbach profitieren insbesondere Patienten im frühen Krankheitsstadium von dieser Behandlung. Zudem können Patienten, die unter herkömmlichen Stabilisatortherapien noch Fortschritte der Erkrankung zeigen, von der RNA-interferenz profitieren. Je früher die Diagnose und Therapie erfolgen, desto effektiver die Behandlung, was die Bedeutung einer frühzeitigen Patientenselektion unterstreicht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der neuen TTR-Reduktionstherapien ist ihr Sicherheitsprofil. PD Dr. Morbach betont, dass diese Therapien in der Regel gut verträglich sind und ein geringes Nebenwirkungspotenzial aufweisen. Dennoch gibt es Unterschiede in Bezug auf die Nierenfunktion, die beachtet werden sollten. Ein spezielles Augenmerk gilt der potenziellen Reduktion von Vitamin A, da Transthyretin als Transportprotein eine Rolle spielt. Es wird empfohlen, Vitamin A zu supplementieren, um mögliche Defizite zu vermeiden, auch wenn Dr. Morbach feststellt, dass es in diesem Zusammenhang kein relevantes Signal oder Augenprobleme in den Sicherheitsanalysen gibt.
Die Einführung innovativer Therapien in bestehende Behandlungsschemata bringt praktische Herausforderungen mit sich. Die Patienten müssen sowohl gegen Amyloidose als auch gegen Herzinsuffizienz behandelt werden, was eine komplexe interdisziplinäre Betreuung erfordert. Die hohen Therapiekosten und Diagnoseschwierigkeiten führen dazu, dass die meisten Patienten in spezialisierten Zentren betreut werden müssen. Um eine kontinuierliche Betreuung zu gewährleisten, sind enge Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen spezialisierten Zentren und den niedergelassenen Ärzten essenziell. PD Dr. Morbach hebt zudem den möglichen Nutzen spezialisierter Herzinsuffizienzschwestern hervor, die in der lokalen und telemedizinischen Betreuung der Patienten eine Schlüsselrolle spielen könnten.
Zukünftige Entwicklungen in der ATTR-Therapie, wie Gentherapien und Antikörpertherapien gegen abgelagertes Amyloid, bieten weiteren Hoffnungsschimmer für Patienten. PD Dr. Morbach zeigt sich gespannt auf die Ergebnisse laufender Studien, die das Ziel haben, den bereits abgelagerten Amyloid im Gewebe zu reduzieren. Niedergelassene sowie klinisch tätige Kardiologen sollten sich auf diese möglichen Innovationen vorbereiten, die möglicherweise neue Herausforderungen und Chancen in der Behandlung der ATTR-Amyloidose mit sich bringen werden. Der Austausch über aktuelle Studienergebnisse und Fortbildungen werden dabei entscheidend sein, um die Patientenversorgung kontinuierlich zu optimieren.